Endometri-häh?

Am 29. September ist der „Tag der Endometriose“. Eine Zusammenfassung unserer Veranstaltung am 28.09.18 zu diesem Thema könnt ihr hier lesen.

Martina Schröder beschäftigt sich seit Anfang der 90er Jahre mit Endometriose. Sie arbeitet im FFGZ – Feministisches FrauenGesundheitsZentrum e.V. Berlin und wir hatten sie am 28.09.18 zu uns ins FAQ eingeladen, um über Endometriose zu sprechen. In den letzten 30 Jahren, so Martina, hat sich die Forschung zu Endometriose kaum weiterentwickelt, und das obwohl sich nach wie vor eine große Zahl von Betroffenen mit dem Thema beschäftigen muss.

Was ist Endometriose? Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) ähnlich ist, tritt außerhalb des Uterus auf, zum Beispiel an den Eierstöcken und Eileitern, aber auch am Darm oder der Blase. Dieses Gewebe reagiert auf die Hormone des Menstruationszyklus und stößt bei der Monatsblutung Zellen und Blut ab. Die Folge sind Entzündungsreaktionen, die Bildung von Zysten und die Entstehung von Vernarbungen und Verwachsungen im Bauchraum.

Die häufigsten Symptome von Endometriose sind extreme Schmerzen während der Menstruation sowie Kreislauf-, Darm- und Blasenprobleme.

Endometriose wird oft mit „Menstruationsschmerzen“ verwechselt. Selbst starke Schmerzen während der Menstruation werden oft als normal verhandelt, sei es durch die Medizin oder im sozialen Umfeld. Auch das führt dazu, dass Endometriose oft lange unerkannt bleibt. In Deutschland dauert es im Schnitt 6-8 Jahre, bis die Erkrankung diagnostiziert wird.

Ein Grund, weshalb Endometriose selten und spät erkannt wird, ist der gesellschaftliche Umgang mit dem Thema Menstruation. Es wird häufig tabuisiert. In vielen Kontexten gilt es als unangebracht, über die Monatsblutung und damit zusammenhängendes Leiden zu sprechen. Dazu kommt, dass Menstruationsschmerzen als „normal“ betrachtet werden. Um nicht wehleidig zu wirken, sprechen viele Betroffene lange nicht über ihr Leiden. Wenn sie es tun, berichten viele, werden sie von Ärzt*innen und Angehörigen nicht ernst genommen.

Martina Schröder machte deutlich, dass aus ihrer Perspektive Endometriose keine gynäkologische, sondern eine systemische Krankheit ist, die sich auf das gesamte Organsystem auswirkt. Sie muss keinen chronischen und langfristigen Verlauf haben, wenn die Faktoren, die die Krankheit beeinflussen, erkannt und bearbeitet werden. Diese Faktoren sind bei jeder Person unterschiedlich.

Die Ursache von Endometriose ist nach wie vor unbekannt. Bekannt ist, dass das Immunsystem auf irgendeine Weise geschwächt sein muss. Betroffene haben oft andere Erkrankungen des Immunsystems, wie Allergien, Asthma und wiederkehrende Infektionen. Es wurde auch beobachtet, dass in manchen Familien die Krankheit gehäuft auftritt; die Ursache dafür ist unklar. Es wird angenommen, dass die Krankheit keinen genetischen Ursprung hat.

Der Erfahrungsaustausch unter Betroffenen hat gezeigt, dass psychische und soziale Belastungsfaktoren Einfluss auf Immun- und Hormonsystem haben und somit die Entwicklung von Endometriose beeinflussen kann. Auch das Verwenden einer Spirale oder Umweltgifte können einen Einfluss haben.

Sinnvolle Behandlungsmethoden seien Naturheilkunde und traditionelle chinesische Medizin, aktive körperbezogene Therapie, Pflanzenheilkunde, Psychotherapie, Aufarbeitung von Erlebnissen, ausgewogene Ernährung und die Methode Wildwuchs, die von einer Betroffenen entwickelt wurde.

Operationen seien oft unnötig. Heute wird weniger operiert als noch vor einigen Jahren. Allerdings wird aus Unkenntnis heraus noch immer (zu) viel operiert.

Auch hormonellen Behandlungen traut Martina Schröder wenig zu. Die Wirksamkeit von Medikamenten seien noch immer umstritten. Und diese Unsicherheiten werden von Ärzt*innen nicht kommuniziert. Bei ca. bei 40-60% der Betroffenen kommt die Erkrankung nach dem Absetzen der Medikamente zurück. Sie heilen also nicht, sondern unterdrücken.

Bei jungen Mädchen* wird oft bei Schmerzen direkt die Pille verabreicht. Oft wird dann 10 Jahre lang die Pille genommen und währenddessen die eigene körperliche Befindlichkeit nicht angegangen. In dem Moment, wenn die Pille abgesetzt wird, tauchen oft wieder Herde/Beschwerden auf.

In der Diskussion wurde die Ablehnung gegenüber der Einnahme von Hormonen teilweise kritisiert. Ein Argument war, dass dass allein die Einnahme von Hormonen für Menschen nicht schädlich sein muss. Oft steht hinter der Ablehnung von Hormonen die Annahme, dass Körper „natürlich“ bleiben müssten. Dabei gibt es nicht „den einen Körper im Gleichgewicht“. Menschen sind unterschiedlich und es sollte möglich sein, dass sie auch mal Hormone nehmen und schauen, was passiert. Dringend notwendig ist weiterführende Forschung zur Einnahme von Hormonen.

Ein anderer Aspekt war, dass von Endometriose Betroffene die Einnahme von Hormonen als schnell und wirksam empfinden. Besonders nach einer langen Leidensgeschichte fehlt es oft an Geduld nun noch viel Zeit mit der Analyse der Faktoren und ihrer Beseitigung zu verbringen.

Daran schließt ein Aspekt an, der in der Diskussion immer wieder angedeutet wurde. Derzeit sind es die Betroffenen selber, die individuell verarbeiten sollen, also zum Beispiel sexualisierte Gewalt in Therapien aufarbeiten oder mit Entspannungstechniken den Arbeitsstress vergessen sollen.

Wenn soziale und gesellschaftliche Faktoren einen Einfluss auf die Krankheit haben, wäre es erstrebenswert, bei diesen Faktoren und nicht bei den Betroffenen anzusetzen, etwa den neoliberalen Leistungsdruck und patriarchaler Herrschaft den Kampf anzusagen.